Die Marienstatue aus unserer alten Pfarrkirche St. Peter und Paul stand über Jahre hinweg im Pfarrhaus und wurde bei der Fronleichnamsprozession von jungen Damen des Trachtenvereins getragen.  Mitte des vorigen Jahrhunderts war sie mit einer dicken Schicht aus Ölfarbe überzogen worden, ihre wirkliche Schönheit und ihr Wert blieben hinter dieser Fassade verborgen.  Ihre Wiederentdeckung verdanken wir Wolfgang Kuny, der mit viel Sorgfalt und Mühe in diversen Quellen recherchiert und anhand der Geschichte der Kirche St. Peter und Paul eine Reihe interessanter Fakten zusammengetragen hat.

 Die alte Kirche, ein spätgotischer Bau, wird erstmals 1470 urkundlich dokumentiert. Anzunehmen ist, dass sie eine zeitgemäße, spätgotische Ausstattung hatte.  Bei der großen Diözesanvisitation 1560 wird erwähnt, dass die Kirche mit „3 Altären, 3 Kelchen und einem ewigen Licht” ausgestattet sei. Im 18. Jahrhundert wird sie barock umgestaltet. Am 22. Mai 1710 werden zwei Seitenaltäre zu Ehren der Jungfrau Maria und der heiligen Katharina von Franz Ecker von Karpfing, Erzbischof von München und Freising geweiht. Vermutlich wurden die spätgotischen Altäre von 1560 durch Barockaltäre ersetzt. Nicht dokumentiert ist, wo genau die spätgotischen Figuren der Maria, der Katharina und der Barbara in dieser Phase Verwendung fanden. Es ist aber anzunehmen, dass die Maria Bestandteil des erwähnten Marienaltars war. Mit dem Neubau des Turmes 1847/48 wird der Innenraum der Kirche im neugotischen Stil umgestaltet. Der Hochaltar wird mit den beiden Figuren der Katharina und der Barbara ausgestattet. Die ruinösen barocken Seitenaltäre werden abgebrochen, um auch mehr Platz für Kirchgänger zu schaffen. Die Marienstatue wird am linken Chorbogen angebracht. 1938/39 wird die Pfarrkirche neu gebaut. Die alte Pfarrkirche verliert ihre Funktion als gottesdienstlich genutzter Raum und wird zu einer Gedenkstätte für unsere Gefallenen umgewidmet. 

Einzelne Figuren der Ausstattung der alten Kirche, insbesondere die Marienstatue und die Figuren der Katharina und der Barbara, werden erstmals in der kunstgeschichtlichen Literatur des 20. Jahrhunderts erwähnt, und zwar in der „Deutschen Heimatkarte Oberbayern Blatt I, Starnberger See/Ammersee”, Deutscher Kunstverlag München/Berlin, Erstausgabe 1938. Dieser Wanderführer beschreibt den Zustand der Kirche vor der Umgestaltung zur Kriegergedächtniskapelle: „In der spätgotischen, später veränderten Peter- und Paulskirche mehrere Schnitzwerke, am Hochaltar St. Katharina und Barbara, am Chorbogen Muttergottes, an der Nordwand des Schiffes Kreuzigungsgruppe”. 

Im „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler” von Georg Dehio (Erstausgabe 1925, akt. Auflage 2006) ist bezüglich St. Peter und Paul in Grünwald zu lesen: „Im Chor Standkreuz, der Korpus um 1500, an den Wänden Holzskulpturen der hl. Katharina und Barbara um 1470. In die neue Kirche verbracht: Kreuzigungsgruppe, erste Hälfte 16. Jh. Im Pfarrhaus verwahrt: Muttergottes, Holzfigur, 1. Hälfte 16. Jh.”. Aber: Die hier erwähnte Muttergottes galt als verschwunden und wurde nicht mit der dick bemalten Marienstatue in Verbindung gebracht. 

Schon seit Anfang der 60iger Jahre interessierte sich Herr Kuny, wo denn wohl die besagte gotische Madonna geblieben sei. Bei der Fronleichnamsprozession 2013 – wegen des schlechten Wetters fand sie in der Kirche statt – saß er zufällig direkt neben der Trage mit der Marienstatue aus dem Pfarrhaus und hatte so Zeit und Ruhe, sie während des Gottesdienstes ausgiebig zu betrachten. Hier keimte erstmals bei ihm der Verdacht auf, dass sich unter den hässlichen Farbschichten ein Schatz verbergen könnte. Er erreichte, dass sie von dem Grünwalder Restaurator Matthias Hornsteiner untersucht werden durfte und – entdeckt wurde eine spätgotische Madonna. 2014 erhielt Matthias Hornsteiner den Auftrag, die Madonna zu restaurieren.

Die ursprünglich gehöhlte Rückseite und die verkürzten Unterarme der aus Lindenholz geschnitzten Madonnenfigur lassen vermuten, dass sie als Halbrelief in dem Retabel eines Altares stand. Im 19. Jahrhundert wurde die Rückseite mit einem Brett verschlossen, möglicherweise weil ihr damaliger Standplatz frei auf einer Konsole am Pfeiler des Chorbogens eine größere Tiefe erforderte. Die Haarsträhnen wurden auf dem Brett vereinfacht fortgeführt. Das Jesuskind ist ebenfalls spätgotisch, wurde aber erst später möglicherweise als Ersatz für ein verloren gegangenes Kind hinzugefügt. Vermutlich zur selben Zeit wurde der Faltenwurf des Mantels, der Sockel und die linke Hand der Madonna erneuert.

Bei der Restaurierung durch Matthias Hornsteiner wurde die unnatürliche Stellung beider Arme des Kindes verändert und die linke Hand ergänzt. Das Zepter der Madonna wurde nach gotischen Vorbildern neu geschnitzt, die Krone nach dem Vorbild einer einzigen im Original erhaltenen Palmette ergänzt. Nach sorgfältiger Analyse der unter diversen Farbschichten noch vorhandenen Farbreste wurde die Figur neu gefasst. „Die Restaurierung war darauf abgestimmt, die alte, freigelegte Fassung zu erhalten, Fehlstellen in Inkarnat, Kleid und Mantelinnenseite zu ergänzen und die nicht mehr vorhandene Vergoldung zu erneuern”.

 Die Madonna erhielt ihren Ehrenplatz in der Kirche St. Peter und Paul anstelle der vorherigen Marienstatue, der Kopie einer Maria aus Ellwangen. Die feierliche Einweihung fand im Rahmen der bayerischen Maiandacht am 16.5.2015 statt.