Im Herbst 2019 feierte die Grünwalder Isarbrücke zwei Jubiläen:

Vor 115 Jahren, am 19 November 1904, wurde die Brücke erstmals eröffnet und vor 70 Jahren, am 24. Oktober 1949, konnte die 1945 zerstörte Brücke wieder dem Verkehr übergeben werden.

Noch Ende des 19. Jahrhunderts waren die Orte Grünwald und Pullach nur mit den beiden Drahtseilfähren von Höllriegelskreuth nach Grünwald und von Geiselgasteig nach Pullach verbunden. Aber die Stadt München dehnte sich aus und auch in der Umgebung nahm die Bevölkerung kontinuierlich zu. Die Ansiedlung großer Industrieanlagen in Höllriegelskreuth (Firmen Linde und Pietzsch) und der erhöhte Ausflugsverkehr seit Eröffnung der Isartalbahn 1891 verstärkten den Druck. Die Fähren waren dem erhöhten Verkehrsaufkommen immer weniger gewachsen.

In Unterlagen des Gemeindearchivs taucht der Wunsch nach einem festen Isarübergang anstelle der Fähre im Jahr 1876 auf: Der Gemeinderat befasste sich erstmals mit der Errichtung eines Steges über die Isar von Grünwald nach Höllriegelskreuth. Als Brückenzoll (Benutzungsgebühr) waren 3 Pfennige für  die Person und 15 Pfennige für einen Reiter mit Pferd geplant. 1879 wurde die Erbauung eines befahrbaren Steges und ab 1898 der Bau einer richtigen Brücke ins Auge gefasst.

1901 legte die Wayss & Freytag AG ein Angebot für eine Eisenbetonbrücke mit zwei je 70 m überspannenden Bögen vor. Der Entwurf stammte von Ludwig Zöllner, die statisch-konstruktive Entwurfsbearbeitung von Emil Mörsch. Zu diesem Zeitpunkt gab es erste Erfahrungen beim Bau von Eisenbetonbrücken, ausgereift war die Technologie jedoch nicht.

Lehrgerüst für die neue Brücke

Nach Klärung der Finanzierung wurde im Sommer 1903 die Eisenbeton G.m.b.H., eine zu diesem Zweck gegründete gemeinsame Tochter der Firma Wayss & Freytag und der Münchner Firma Heilmann & Littmann, vom Bezirksamt München I mit der Ausführung der Brücke beauftragt. Die Brücke war insgesamt 221 m lang. Zwei Bögen mit einer Spannweite von je 70 m und einem Stich von 12,80 m überspannten die Isar und den Werkkanal. Zu beiden Seiten wurden so genannte Vorlandbrücken von Pfeilern im Achsabstand von 10 m getragen. Die Grünwalder Brücke war damals weltweit das am weitesten gespannte Brückenbauwerk dieser Bauart.

 

Während der Bauzeit gab es Probleme mit der Flößerei, die primär auf der Isar abgewickelt wurde. Nur bei Niedrigwasser war die Fahrt durch den Werkkanal vorgeschrieben. Die Flößer beklagten sich über die enge und gefährliche Durchfahrt zwischen den Pfeilern, die das Gerüst trugen und für die ein Abstand von 6,50 m festgelegt war. Die Baugesellschaft beklagte, dass die Flößer die für die Bauzeit bestimmte Höchstbreite von 5,50 m pro Floß nicht einhielten. Immer wieder verkeilten sich Flöße in der Durchfahrt. Die Baufirma erhielt das Recht, weit oberhalb der Brücke einen Landeplatz einzurichten und die Flöße zu kontrollieren. Schließlich wurde verfügt, dass die Vergnügungsfahrten vor der Brücke enden mussten.

Nicht nur wegen der technischen Ausführung, sondern auch wegen der harmonischen Situierung im Tal und der eleganten Form wurde die neue Brücke ein Anziehungspunkt im Isartal. Gabriel von Seidl hatte als Vertreter des Isartalvereins auf die Situierung Einfluss genommen, um den Eingriff in die Natur möglichst gering zu halten. 

Am 19.11.1904 wurde die Grünwalder Isarbrücke – nicht ohne Probleme – dem Verkehr übergeben. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom  17.11.1904 berichten von einer Sitzung der Landräte von Oberbayern (entsprach in etwa dem heutigen Bezirkstag), in der Kritik geübt wurde, weil zwar die Brücke fertig war, nicht aber die Straßen dazu. Auf Grünwalder Seite gab es eine Verzögerung wegen eines Erdrutsches, auf der Pullacher Schwierigkeiten mit den Isarwerken und der Heilmannschen Immobiliengesellschaft. Bedauert wurde auch die Erhebung eines Brückenzolls.

In der „Neuen Freien Volkszeitung in München” vom 18.11.1904 sind die gültigen Sätze für den Brückenzoll abgedruckt: 

  1. Von jeder freigehenden Person mit oder ohne Handfuhrwerk 5 Pfg., bei Ausflügen, welche Volks- oder Mittelschulen unter Führung ihrer Lehrer machen, pro Person 2 Pfg.
  2. Von jeder Person mit einem Veloziped 10 Pfg.
  3. Für ein Automobil, ohne Rücksicht auf die Zahl der darin befindlichen Personen, 20 Pfg.
  4. Für jedes angespannte Zugthier und jedes Reitthier 15 Pfg. Führer und Insassen des Fuhrwerks, sowie die Reiter sind vom Personenzolle frei.
  5. Für jedes leergehende Zugthier oder Stück Großvieh 3 Pfg., auch hier ist der Führer oder Treiber vom Personenzolle frei.
  6. Für Jung- und Kleinvieh, als Fohlen, Kälber, Schafe, Schweine, Ziegen pro Stück 2 Pfg.; bei herdeweisem Triebe, d.i. über 15 Stück, für jedes weitere Stück 1 Pfg. Die Führer haben den Brückenzoll zu entrichten.

Für Kinder unter ein Meter Größe ist ein Brückenzoll nicht zu entrichten. Für Arbeiter und Schüler werden auf Wunsch Monatskarten zu 1 Mark ausgegeben, außerdem können Karten zu 2 Mark gelöst werden, welche für 50malige Begänge der Brücke gelten. 

 

Zollhaus an der Brücke

Für den Brückenzoll war auf dem westlichen Brückenkopf das Zollhäuschen erbaut worden, das sich heute in Privatbesitz befindet. Der Brückenzoll wurde bis zum 31.3.1935 erhoben. Er diente zur Deckung der Kosten von 260.000 Mark für die eigentliche Brücke. Mit Uferschutz und Zufahrten lagen die Gesamtkosten bei ca. 430.000 Mark. In den Jahren 1926/1927 wurde unter der Leitung von Prof. Oskar Muy, einem langjährigen Mitarbeiter von Prof. Mörsch, eine Sanierung der linksseitigen Öffnungen durchgeführt, da diese durch den starken Hangschub dem Einsturz nahe waren. 

 

 

 

Am 30. April 1945 wurde der östliche Brückenbogen von abziehenden SS-Einheiten gesprengt.