Ein schöner, alter Bauernhof ist er gewesen, der Steigerhof . Leider sucht man ihn heute vergebens. Wie so viele der alten Höfe unseres geschichtsträchtigen Orts Grünwald fiel er dem Zeitgeist zum Opfer. Geworden ist daraus ein modernes Mehrfamilienhaus, zweckmäßig, mit praktischen, hellen Wohnungen. Aber den typisch bayerischen Charme, die Schönheit, die Würde, die das alte Bauernhaus ausstrahlte, die hat es nicht. Es könnte überall stehen, in Darmstadt, in Bielefeld, in Halle an der Saale. Oder eben auch in Grünwald.
Bis 1848 gehörte der Hof, eine sogenannte Sölde, zur Schlosskapelle St. Georg in Grünwald. Eine Sölde ist ein kleiner Bauernhof mit wenig Vieh. In der Regel konnten die Besitzer davon allein nicht leben und mussten als Tagelöhner oder Handwerker dazuverdienen. Gemäß der Chronik Grünwald fällt der Hof im Herbst 1716 „durch Übergabe” an Elisabeth Schlickenrieder, er muss also noch älter sein. Von ihrem Mann nach einem halben Jahr Ehe verlassen verkauft sie die Sölde an Kaspar Steiger aus Tegernbach und seine Frau Eva. Kaspar Steiger erhält ebenfalls nur eine „Leibsgerechtigkeit”, d.h. er muss eine jährliche „Gült” an den Eigentümer entrichten. Nach dem Tod von Kaspar Steiger im Jahr 1738 folgt sein Sohn Georg nach, 1771 dessen Tochter Anna, verheiratete Niederreuther, und 1802 deren Sohn Sebald.
Danach bricht in der Chronik die Aufzählung ab. Man erfährt nicht, wann und an wen der Hof aus dem Besitz der Schlosskapelle verkauft wird. Der Faden wird wieder aufgenommen mit den Besitzern Johann und Franziska Furtmeier Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Johann Furtmeier betreibt zusätzlich zur Landwirtschaft ein Fuhrunternehmen. Bereits im Jahr 1922 besitzt er einen damals hochmodernen Lanz Bulldog mit Gummibereifung (der Lanz Bulldog wurde zum ersten Mal 1921 in Leipzig vorgestellt, er gilt als der „Urvater” des Bulldog). Damit transportiert er Holz von Forstenried nach München. 1930 bietet er in Grünwald das erste Mietauto an, einen Protos Baujahr 1927, der schon etwa 85 kmh schnell fahren konnte. Die Furtmeiers haben zwei Töchter, Viktoria und Franziska, und einen Sohn, Johann. Der Hof geht über auf die Tochter Viktoria und deren Mann Jakob Ehegartner. Jakob Ehegartner wurde im Jahr 1937 bis zu seinem Einrücken zur Wehrmacht 1943 die Müllabfuhr in eine in der Nähe des Waldfriedhofs gelegene Grube übertragen. In den Fünfzigern übernimmt sein Sohn Jakob den Hof.
Ein Foto aus dem Jahr 1930 zeigt den Steigerhof noch in seiner urspünglichen Form. In den Jahren danach wird er mehrfach umgebaut. Trotzdem sollen Anfang der Achtziger die noch erhaltenen Reste der Fassade unter Denkmalschutz gestellt werden. Dagegen wehrt sich die Familie mit Erfolg. Da größere Reparaturen fällig werden, für die das Geld fehlt, wird der Hof an einen Bauunternehmer verkauft. 1986 wird er abgerissen.